BORN & Roadrunner

 

Nalani fährt Taxi in BORN, der Megacity aus Kris Brynns gleichnamigen Near-Future-Thriller. Sie transportiert und trifft dabei lauter außergewöhnliche Charaktere – denn langweilige Menschen gibt es in BORN einfach nicht. Plötzlich Schüsse, Nalani gibt Gas, rast mit quietschenden Reifen um die Kurve und entkommt den Angreifern knapp. Gleich zu Beginn ist sie nämlich zwischen die Fronten verbrecherischer Aktivitäten geraten, die sie nicht durchschaut. Spielt der Schwarzmarkt eine Rolle? Und was geht auf den Vertikalfarmen vor, draußen im Ödland? Ihre Gegner fackeln nicht lange, das zeigt sich, als auch noch ihr einfältiger Bruder in die Sache verwickelt wird. Wenn Nalani die Schurken trotzdem abhängt, dann liegt das auch an ihren guten Freundschaften. Denn BORN ist kein eiskalter Thriller. Es gibt viel Menschlichkeit in dieser Stadt. Da ist die Freundin, die Nalanis Tochter in Sicherheit bringt oder der schräge Russe, der sich im entscheidenden Moment auf Nalanis Seite schlägt. Und vor allem ist da Fergus, das KFZ-Notfall-Hologramm auf dem Beifahrersitz. Diese liebenswerte Figur ist der heimliche Star des Romans, der auch den Soundtrack beisteuert und das Flair alter Filmklassiker einbringt. Zumindest in den Szenen, in denen mal gerade keine akute Gefahr besteht. Denn Action gibt es genügend, stets gewürzt mit bissigem Humor.

 

Der deutschen Autorin Kris Brynn, die 2019 mit „The Shelter“ den Seraph-Preis für den besten Debütroman gewann und die dann mit der Near-Future-Reihe „Out of Balance“ nachlegte, gelingt mit BORN ein rasanter Thriller abseits ausgetretener Pfade. Kris Brynns außergewöhnlicher Stil kommt dieses Mal noch besser zur Geltung. Dichte Atmosphäre, plastische Beschreibungen und temporeiche Handlung mit Witz – BORN wird alle begeistern, die mal einen Thriller lesen wollen, der die üblichen Stereotypen vermeidet.

 

Dazu passt eine Bierempfehlung, die aus dem Rahmen fällt. Ob sie Kris Brynn zusagt, weiß ich nicht, aber Nalani wäre bestimmt davon angetan. Denn ROADRUNNER von der Kehrwieder-Brauerei aus Hamburg ist quasi der Energy Drink unter den Bieren. Ein Coffee Stout ohne Alkohol, dafür mit extra hohem Koffeingehalt. Perfekt für eine Nachtschicht im Taxi. Oder um BORN in einem Rutsch zu lesen – denn aus der Hand legen will man es sicher nicht.

 

Die Kehrwieder-Brauerei setzte bereits mit ÜNN den Maßstab, an dem sich alle alkoholfreien Biere messen lassen müssen. Dabei hilft natürlich, dass Biersorten wie IPA (ÜNN) oder Stout (Roadrunner) von Haus aus nicht besonders herb sind. Aus dem Herben wird in den alkfreien Varianten sonst meist Saures, was den Spaß verdirbt. Roadrunner hingegen hält, was es verspricht: Klassischer, wenn auch eher zurückhaltender Stout-Geschmack, in den sich deutlicher Kaffeegeschmack mischt. Wer Stout kennt, kann sich leicht vorstellen, dass beides gut zusammenpasst, und so ist es auch. Roadrunner macht Laune und wach – auf dem Schwarzmarkt von BORN würde es bestimmt einen guten Preis erzielen.

Tom Hillenbrands Montecrypto und PUNK IPA

Mit seinem Roman Montecrypto gelingt Tom Hillenbrand ein kleines Wunder: Das eigentlich sperrige Thema Cyptowährungen fließt hier so anschaulich und gleichzeitig korrekt ein, dass sowohl blutige Crypto-Laien als auch Kenner der Technik ihre Freude daran haben. Entsprechende Bedenken kann man also getrost beiseiteschieben und sich an einem Schatzsuche-Krimi erfreuen, der im typischen, betont lässigen Hillenbrand-Stil daherkommt.

Zur Story: Privatdetektiv Ed Dante und Bloggerin Mercy Mondego begeben sich auf die Suche nach einem Schatz in Form von Cryptowährungen. Hinterlassen hat ihn der Startup-Unternehmer Greg Hollister („Friede seiner extrem wertvollen Asche“, kommentiert Dante lakonisch). Sie folgen dabei Hinweisen, die Hollister selbst versteckt hat und recherchieren im bizarren Milieu der Coiner ebenso wie bei einer globalen Firma für Bezahlsoftware. Was als privater Auftrag beginnt, endet in einem (realistischen!) Szenario von globalem Ausmaß.

Der Verlag ordnet das Buch in Hillenbrands futuristisches Hologrammatica-Universum ein. Das Fantastische am Roman ist aber eigentlich, dass er ganz ohne fantastische Elemente auskommt. Die Coiner-Themen riechen nach Zukunft, sind aber längst in der Realität angekommen. Das einzige Near Future-Element besteht darin, dass sich in Montecrypto eine Bezahl-App mit integrierter Cryptowährung bereits weltweit durchgesetzt hat. (Die im Buch genannte Währung Moneta gibt es übrigens tatsächlich, allerdings dürfte eher Facebooks Libra/Diem Pate gestanden haben.) Wir können Montecrypto also gerade so eben noch als SF durchgehen lassen. Aber auch, wer einfach nur einen geradlinigen, coolen „Private Eye“-Roman lesen will, wird bestens bedient.

Zur Stimmung des Romans trägt die immer wieder eingestreute Musik bei. Mercy Mondego spielt in einer All Girl Post Punk Band, und überhaupt wird im Buch meist kräftiger Rock oder Punk gehört.

Was läge also näher, als beim Lesen nicht nur die passende Playlist abzuspielen, die Tom Hillenbrand auf Spotify bereitgestellt hat, sondern sich auch ein PUNK IPA zu gönnen. Brewdogs Klassiker ist so hopfig, wie man es von einem IPA erwarten kann, und schmeckt mit seinen fruchtigen Noten und geringer Bitterkeit gleichzeitig auch Menschen, die sonst die Finger von diesem Braustil lassen. PUNK trinkt sich quasi so lässig, wie sich das Buch liest – und steht trotzdem für die Craft Beer Revolution, die sich dem Massen-Biermarkt entziehen wollte. Doch, irgendwie ist es schon Punk, dieses Bier.

Derzeit gibt es leider keinen deutschen Abfüller. PUNK kommt direkt aus Schottland auf den deutschen Stammtisch. Wegen des geringeren Transportgewichts sind Dosen hier womöglich die sinnvolle Wahl. Deren metallischer Look passt jedenfalls prima zum goldenen Kreis auf dem Cover. Und außerdem: Ökologischer als Bitcoin sind Investitionen in PUNK IPA allemal.

 

Schönes Buch & Schönbuch: „Cthulhus Ruf“, illustriert von F. Baranger

Auch wenn das Wortspiel wehtut, aber was passt zu einem schönen Buch nicht besser, als ein Bier der Brauerei Schönbuch? 

Ein besonders schönes Buch ist die von François Baranger beeindruckend illustrierte Ausgabe von H. P. Lovecrafts berühmter Geschichte „Cthulhus Ruf“, die auf Deutsch beim Heyne Verlag in einer großformatigem Hardcover-Ausgabe erschienen ist. 

Wer schon immer mal wissen wollte, warum so viel Hype um Lovecrafts Cthulhu-Mythos gemacht wird, der sollte dieses Buch lesen. Das absolute Grauen, welches Lovecraft in dieser Geschichte beschreibt, wird durch die atmosphärischen Zeichnungen des französischen Künstlers perfekt wiedergegeben und verstärkt.

Zum düsteren Inhalt passend gönnt man sich das „Dunkle“ von Schönbuch Bräu. Dichte Malzaromen und vollmundiger Geschmack rinnen die Kehle herunter, während der Schauer über den Rücken läuft.

Um das Leseerlebnis multimedial abzurunden,  bietet sich als passende Hintergrundmusik  zur Lektüre das Album „Necronomicon“ des Duos „Not Arcana“ an,  ein musikalischer Tribut an den Cthulhu-Mythos.

Weitere Beiträge zur Stammtisch-Rubrik “Buch & Bier” finden sich hier.

 

 

Aeronautica & Steamworks Pale Ale

Das wunderschön gestaltete Buch entführt Euch auf eine Flugreise ins Abenteuer. Luftschiffe und eine Luftlok, der Fliegende Holländer und sogar ein Moby Dick der Lüfte erkunden die Welt von der Arktis bis in den Dschungel.

In 12 Geschichten geht es mal höchst amüsant und mal romantisch zu, oft wird es unheimlich und ausnahmslos immer verfolgt man gespannt, welch unerhörte Abenteuer die Heldinnen und Helden erleben.

Untypisch für Kurzgeschichten ist, dass es in fast alle Erzählungen ein Happy End gibt. Ungewöhnlich ist auch, wie viele bekannte tolle Autorinnen und Autoren sich hier die Klinke in die Hand geben. Das Ergebnis ist eine der lesenswertesten Anthologien, die ich je in die Finger bekommen habe – kein Wunder, dass die erste Auflage schnell vergriffen war. Doch die neue Auflage liegt bereits in den Regalen – wer sein Ticket für die Reise mit der Aeronautica lösen will, kann das schon bald auch im Verlags-Shop tun. Oder hier.

Dazu passt perfekt ein Pale Ale von der Steamworks Brewery, dessen Etikett eine Art propellergetriebene fliegende Dampf-Standuhr ziert. Es macht nichts, dass sich keine Aeronautica-Geschichte diesem skurrilen Flugobjekt widmet. Einfach ein paar solche Pale Ales trinken, das Etikett fest im Blick behalten, und die Geschichte entsteht ganz von selbst in der eigenen Fantasie …

Als die Crew von Steamworks 1995 eine alte Brauerei wieder zum Leben erweckte, fand sie eine dampfgetriebene Brauanlage vor – eine sehr seltene Technik, in Kanada gibt es nur noch diese eine Anlage. Sie konnte wieder in Betrieb genommen werden und gab der Brauerei den Namen. Unbedingt probieren, Steamworks braut ausgesprochen leckere Biere!

Eiswelt und Eisbock

Ist es zu heiß? Oder verkriecht man sich vor der Kälte unter eine warme Decke? In beiden Fällen bietet Jasper Ffordes Roman “Eiswelt” Linderung.

In der Welt des Romans hat die Eiszeit nie aufgehört. Die Menschen verbrennen ganze Kohleflöze, um endlich eine globale Erwärmung in Gang zu bringen. Und sie achten auf ihre Figur – nämlich darauf, genügend Winterspeck anzufuttern, um den Winterschlaf zu überstehen. Richtig gehört, die Menschheit fällt in den Winterschlaf.

Ausgenommen die Winterkonsuln, zu denen dieses Jahr erstmals auch “Matschbirne” Charlie gehört. Der Feind lauert in diesem Buch immer und überall – denn es ist der Winter selbst, der Charlie ständig in Gefahr bringt. Wie er sich in der gewohnt schrägen Fantasywelt von Jasper Fforde durchschlägt, ist spannend und amüsant zugleich zu lesen.

Dazu passt natürlich ein Eisbock Bier! Zum Beispiel von der Brauerei Faust. Der hohe Alkoholgehalt von 12% ist eher was für raue Gesellen – genau wie der harte Winter in Eiswelt. Mit einer Farbe, die dunklem Holz gleicht und weichem, malzigem Geschmack vertreibt es jede Kälte aus den Knochen.

Auch die Legende vom Ursprung des Eisbock-Bieres könnte direkt aus dem Roman stammen: Ein Geselle, offenbar ebenso unerfahren im Umgang mit dem Winter wie Matschbirne Charlie, ließ Bockbierfässer im Freien stehen. Ein Teil des Wassers gefror, der Rest ergab das Eisbock-Bier – mit entsprechend höherem Alkoholgehalt.

Also Vorsicht: Wer zu viel Eisbock trinkt, fällt womöglich in einen ungeplanten Winterschlaf 😉

Das perfekte Duo!

The Shelter & The Kernel: Seraph2019

Frisch vom Fass: Auf der Leipziger Buchmesse wurde Kris Brynns “The Shelter” mit dem Seraph 2019 in der Kategorie “Bestes Debüt” ausgezeichnet. Und da sich hinter Kris niemand anderer als Stammtisch-Mitglied Regine Bott verbirgt, startet Buch & Bier natürlich mit diesem verdienten Erfolg!

The Shelter

Im England der Zukunft wurde am Rande Londons die Sonderzone “The Shelter” eingerichtet. Dorthin werden bestimmte, unheilbar Kranke abgeschoben. Was dystopisch klingt, entwickelt sich rasch zu einem hochspannenden Wechselspiel von Utopie und Dystopie. Unbemerkt von der Außenwelt ist im Shelter eine eigene Gesellschaftsordnung entstanden, bei der auch Shakespeare und Roboter mit allzu menschlichen Schwächen eine gewichtige Rolle spielen.

Kris Brynns Debut-SF-Roman überzeugt durch temporeiche Handlung, die große Themen aufgreift und clever mit Shakespeare-Assoziationen spielt.

The Kernel

Dazu passen die Biere der Brauerei “The Kernel” aus London. Sie setzen auf gute, alte Biertraditionen und präsentieren sich so schlicht, dass man meinen könnte, die Kommune im Shelter persönlich habe sie angefertigt. Dabei hat man topaktuelles Craft Beer in der Hand – aus einer erst 2012 gegründeten Brauerei, von der man noch einige spannende Kreationen erwarten darf. Auch das passt ja zu Kris Brynn.

Hochprozentiges Imperial Brown Stout zum hochkarätigen eBook

Disclaimer: Mir fällt jetzt erst auf, dass jede Buch & Bier Empfehlung zwangsläufig nach Werbung klingt. Denn es werden ja nur gute Bücher und leckere Biere vorgestellt – für alles andere ist das Leben zu kurz. Deshalb sicherheitshalber der Hinweis, dass ich weder mit dem Buch noch der Brauerei irgendwas anderes zu tun habe, außer dass ich es gelesen und getrunken habe.